Bohren am tiefsten Arbeitsplatz Deutschlands
Um das Revier 6 Süd im Ostfeld des Zielitzer Bergwerks zu erreichen, dauert die Fahrt mit dem Befahrungsfahrzeug gut eine halbe Stunde. Durch mehrere Wetterschleusen hindurch geht es etwa sechs Kilometer langsam aber stetig bergab. Ist die Temperatur in den nach oben offenen Jeeps zu Beginn der Fahrt noch angenehm, wird es von Minute zu Minute wärmer. Auch der Fahrtwind verschafft bald keine Abkühlung mehr. Immer staubiger wird die Luft auf der Strecke, es riecht sehr angenehm nach Salz. Beim Aussteigen am Ziel bei fast 1.400 Metern Teufe steht einem bereits der Schweiß auf der Haut. Hier ist der Arbeitsplatz von Steffen Quaas. Der 44-jährige Bergmann ist bereits seit 1999 im Kaliwerk Zielitz tätig. Auch sein Bruder Heiko arbeitet hier, genauso wie es der Vater früher tat.
Fast sechs Liter Flüssigkeit pro Schicht
„Ich arbeite lieber an einem Ort, an dem ich schwitze und nicht friere“, antwortet Quaas auf die Frage nach den besonderen klimatischen Verhältnissen an seinem Arbeitsplatz, der derzeit der tiefste in ganz Deutschland ist. Er trägt heute ein schwarzes T-Shirt ohne Ärmel und wie immer eine kurze blaue Arbeitshose. Etwas Schweiß hat sich in seinem Gesicht sowie an Armen und Beinen gebildet. Seine Schicht ist hier durch längere Pausen kürzer, als die in anderen Revieren üblichen acht Stunden. Wegen der besonderen Verhältnisse erhalten er und seine etwa 50 Kollegen im Revier 6 aber eine sogenannte Klimazulage mit mehr Urlaubstagen. Bis zu sechs Liter Wasser und Saft muss Quaas pro Schicht trinken, um den Verlust von Körperflüssigkeit auszugleichen. Für kurzzeitige Erholung sorgen Kühlzellen. Dies sind Container mit eingebauter Klimaanlage, in denen die Bergleute unter anderem frühstücken können.
Ich arbeite lieber an einem Ort, an dem ich schwitze und nicht friere.
Besondere Bedingungen im Revier 6
Aufgrund der großen Tiefe ist der Stoß hier sehr heiß, so dass man die Hand maximal ein paar Sekunden auflegen kann. Auch kommt es alle paar Minuten zu einem deutlich hörbaren Knacken und Knistern im Gebirge. „Das liegt am hohen Gebirgsdruck hier unten, der sich immer wieder entspannt, ist aber völlig ungefährlich“, erklärt Revierleiter Patrick Schäfer. Nur bis maximal 27 Grad Feuchttemperatur dürfen Bergleute unter Tage arbeiten. Die Feuchttemperatur ist die Temperatur, die sich infolge der Verdunstung an einer feuchten Oberfläche einstellt. Ist die Luft über der Oberfläche mit Wasserdampf gesättigt (feuchte Luft), so findet keine Verdunstung statt und die Feuchttemperatur entspricht der Lufttemperatur. Wird diese überschritten, so muss die Produktion unterbrochen werden, so regeln es die Vorschriften der Berufsgenossenschaft. Andernfalls kann der menschliche Körper nicht mehr schwitzen, was negative gesundheitliche Folgen hätte.
Technik und Erfahrung unter Tage
Quaas ist Bohrspezialist und bedient im Revier 6 überwiegend den Sprengloch-, Anker- und Großlochbohrwagen. „In der Bohrtechnik unter Tage muss man sehr vorausschauend arbeiten und braucht viel Erfahrung“, sagt Quaas, dem sein Job im Bergwerk weiterhin Spaß macht. Allzu viel habe sich in den mehr als zwanzig Jahren seiner Tätigkeit hier unten nicht verändert, sagt Quaas. „Mittlerweile unterstützt uns in der Gewinnung mehr computergestützte Technik, zum Beispiel bei der Bedienung der Fahrzeuge, aber das meiste muss dann doch manuell durch viel Erfahrung gemacht werden.“ Wichtig sei auch weiterhin, dass „du dich hier unten auf jeden verlassen kannst.“ „Wir sind hier alles Kumpel, hier gibt es kein Sie“, ergänzt der Steiger Schäfer.
Quaas ist verheiratet und Vater von vier Kindern, darunter sogar Drillinge. Sein Vater hatte einst in Merkers gearbeitet und wechselte dann zum Betriebsstart in den 1970er-Jahren nach Zielitz. Der Job als Bergmann wurde damit ihm und seinem Bruder bereits in die Wiege gelegt. In seiner Freizeit liest Quaas gerne und treibt Sport. „Urlaub mache ich auch lieber im Warmen, da ich sonst schnell friere.“