„Die globale Versorgungslage mit Kali ist angespannt“
Der Krieg in der Ukraine sowie die gegen Belarus verhängten Sanktionen haben erhebliche Auswirkungen auf die weltweite Verfügbarkeit von Kalidüngemitteln. Dies und die Erwartung zukünftig deutlich geringerer Getreide-Exporte durch die Ukraine und Russland könnten die weltweite Ernährungssicherheit gefährden. Wir sprachen mit dem Leiter des Kundensegments Landwirtschaft/Vertrieb international von K+S, Dr. Josef Wiebel, über die aktuelle Lage und die weiteren Aussichten.
Herr Dr. Wiebel, wie beurteilen Sie die aktuelle Lage auf dem Weltkalimarkt und welchen Einfluss hat der Krieg in der Ukraine?
Wiebel: Seit Ende 2020 sehen wir einen kontinuierlichen Anstieg der Kalinachfrage, getrieben von attraktiven Agrarrohstoffpreisen, zum Beispiel bei Mais, Weizen, Soja, Raps und Palmöl. Entsprechend sind auch die Kalipreise deutlich angestiegen. In diese bereits nachfragebedingt angespannte Situation platzte der Krieg in der Ukraine. Aufgrund der Sanktionen gegen Belarus und Russland verknappt sich das Kaliangebot deutlich. Und die Kalipreise steigen dadurch weiter an.
Kali-Versorgungslage weltweit
Ist die Versorgung der deutschen bzw. europäischen Landwirte mit Kalidüngemittel auch vor dem Hintergrund der Sanktionen gegen Belaruskali und dem wahrscheinlichen Wegfall von Mengen der russischen Kalidüngemittelproduzenten gewährleistet? Ist K+S in der Lage, das ausbleibende Angebot auszugleichen?
Wiebel: Wir sehen hier gegenläufige Entwicklungen: Einerseits ein geringeres Angebot aufgrund des Wegfalls der Lieferungen aus Russland und Belarus. Andererseits ein Rückgang der Nachfrage der Landwirte nach granuliertem Kali, aufgrund der hohen Kalipreise, aber auch wegen insgesamt stark gestiegener Inputpreise, zum Beispiel für Düngemittel insgesamt, Diesel und auch Pflanzenschutzmittel. Liquiditätsprobleme und Risikoabwägungen spielen hier eine wichtige Rolle. Zudem haben viele Mehrnährstoff-Produzenten in Europa aufgrund der exorbitant hohen Gaspreise ihre Produktion gedrosselt oder eingestellt und deswegen keinen oder einen deutlich geringen Bedarf am Rohstoff Kali. In Summe sehen wir deswegen in Europa aktuell im Großen und Ganzen keine Versorgungsdefizite.
Wir sehen in Europa aktuell im Großen und Ganzen keine Versorgungsdefizite.
Wie ist diesbezüglich die Lage im wichtigen Kali-Importland Brasilien?
Wiebel: Die europäische Landwirtschaft wird immer noch von Familienbetrieben getragen. Im Gegensatz dazu wird in Brasilien Landwirtschaft im Wesentlichen industriell betrieben. Großbetriebe, häufig als Kapitalgesellschaften organisiert, prägen das Bild. Diese haben meist einen ausgezeichneten Zugang zu Instrumenten der Risikoabsicherung, das bedeutet, sie können ihre Ernte auf Termin verkaufen oder auch versichern. Deswegen stellen wir in Brasilien trotz hoher Düngemittelpreise kaum Nachfragerückgänge fest. Allerdings ist Brasilien auch besonders stark vom Ausfall der Kaliproduzenten aus Belarus und Russland bedroht. Im Jahr 2021 bezog Brasilien immerhin 46 Prozent bzw. 5,8 Millionen Tonnen der Kaliimporte aus diesen beiden Ländern. Deswegen sehen wir in Brasilien aktuell die höchsten Kalipreise.
Wie hat sich der Preisanstieg seit Beginn des Ukraine-Kriegs auf die Nachfrage nach Kalidüngemitteln ausgewirkt?
Wiebel: Insgesamt sind alle Marktteilnehmer stark verunsichert. Ganz grob kann man feststellen, dass es in industriell geprägten Agrarwirtschaften, wie Brasilien, den USA, Australien und den Palmölplantagen in Indonesien und Malaysia kaum Rückgänge in der Nachfrage gibt. Einen mäßigen Rückgang sehen wir derzeit in den entwickelten Ländern, die von Familienbetrieben geprägt sind, unter anderem in Europa, Japan und Korea. Stark rückläufig ist derzeit die Kalinachfrage nur in wirtschaftlich schwachen Ländern mit kleinstrukturierter Landwirtschaft, zum Beispiel in weiten Teilen Afrikas und Asiens, teilweise auch in Mittel- und Südamerika. Einen eher punktuellen Rückgang sehen wir, wie vorhin schon beschrieben, bei den Mehrnährstoff-Produzenten (NPK), insbesondere in Europa, aufgrund von hohen Gaspreisen.
Was bedeutet es für einen deutschen bzw. europäischen Landwirt, wenn die Preise für die benötigten Düngemittel stark gestiegen sind? Wird er seine Düngung bzw. den Anbau von Kulturen verändern?
Wiebel: Aufgrund der hohen Agrarrohstoffpreise lohnt sich in der Regel eine Düngung auch bei aktuell hohen Düngemittelpreisen. Trotzdem werden einige Landwirte ihre Düngeintensität reduzieren, um Kosten zu sparen und ihr finanzielles Risiko zu minimieren. Bei Kali werden wir Rückgänge bei Weizen und anderen Getreiden sehen, die keine sehr hohen Ansprüche an die Kaliversorgung stellen, und auf Standorten, die sehr gut mit Kali versorgt sind. Bei anspruchsvolleren Kulturen wie Raps und Mais erwarten wir dagegen keine Anpassungen. Auch das Anbauspektrum der verschiedenen Kulturen wird sich nicht verändern. Fruchtfolgen bleiben bestehen.
Welche Auswirkungen auf die weltweite Versorgungslage werden die mit hoher Wahrscheinlichkeit zukünftig deutlich geringeren Exportmengen bei Agrarprodukten aus der Ukraine und Russland haben?
Wiebel: Die globalen Bestände an Agrarrohstoffen waren historisch gesehen bereits vor dem Ukraine-Krieg auf einem relativ niedrigen Niveau. Aufgrund der drohenden Lieferausfälle, insbesondere bei Weizen, Mais und Sonnenblumen, ist mit weiteren Preissteigerungen bei Agrarrohstoffen zu rechnen, die sich wiederum in höheren Nahrungsmittelpreisen niederschlagen werden. Dies wird vor allem ärmere Länder hart treffen, die auf Nahrungsmitteleinfuhren angewiesen sind, wie zum Beispiel die nord- und ostafrikanischen Länder. Ich fürchte, dass Unruhen, Hunger und in der Folge verstärkte Migration drohen.
Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung am Kalimarkt in den nächsten Monaten ein?
Wiebel: Hoffentlich sehen wir bald ein Ende des Krieges in der Ukraine. Die politischen und wirtschaftlichen Folgen werden uns aber wahrscheinlich noch lange beschäftigen. Daher dürfte die globale Versorgungslage mit Kali angespannt bleiben.
Ihr Ansprechpartner für die Themen auf dieser Seite
Sie haben Fragen zu diesen Themen? Sprechen Sie uns gerne an.